Das Symbol wird zur Wirklichkeit, wenn der Mensch im Schnittpunkt des Kreuzes eine fundamentale Umkehr vollzieht. Dann führt ihn die Vertikale zurück in seine ursprüngliche göttliche Existenz.
Das Kreuzzeichen begegnet uns täglich. Ob man den Horizont betrachtet oder einen Raketenstart verfolgt, ob man mit dem Aufzug in die Höhe schwebt oder den fließenden Verkehr beobachtet: Waagerechte und senkrechte Linien bilden eine Art Koordinatensystem, das allen stofflichen Erscheinungen seinen Stempel aufprägt. Das Kreuz war zu allen Zeiten wie eine Matrix für die Menschheit. Alles wird durch seine Struktur und Gesetzmäßigkeit verbunden, aber auch verändert.
Zwei Welten
Die Vertikale und die Horizontale des Kreuzes stehen nie isoliert voneinander. Sie sind unlösbar miteinander verbunden und zeigen so die fundamentale Struktur der Schöpfung: Die Geschöpfe Gottes bleiben immer mit ihrem Schöpfer verbunden. Der wichtigste Punkt in der Kreuzform ist der Schnittpunkt. Hier begegnen sich buchstäblich zwei Welten: die Welt des Geistes und die Welt der Erscheinungen. Der Kreuzungspunkt wird zur Begegnung zwischen Gott und Mensch. Ohne das Kreuz gibt es keine Verbindung zum Geist. Das Höhere durchdringt und beeinflusst das Niedere. Durch das Kreuz kann sich die Ewigkeit in der Zeit manifestieren.
Im 4. Jahrhundert übernahm die junge Kirche das Symbol des Kreuzes als zentrales Zeichen des Christentums. Es erscheint in vielfältig abgewandelten Formen: vom schlichten Holzkreuz über den naturalistisch dargestellten leidenden Christus am Kreuz bis zum symbolischen "Kreuz aus Licht“, von dem die Johannes-Akten berichten.
Das Kreuz mit Rosen
Der Begriff Rosen-Kreuz wird Anfang des 17. Jahrhunderts bekannt. Damals trat eine kleine Gruppe von Christen mit Schriften an die Öffentlichkeit. Sie bezeichneten sich als Rosenkreuzer. Auf ihrem Siegel war im Schnittpunkt des Kreuzes eine Rose abgebildet. Sie stellte das Symbol für die göttliche Seele des Menschen dar und wurde die "Rose des Herzens“ genannt. Dahinter stand die Idee, dass sich im Herzen, im geistigen Kern des Menschen, die himmlischen und irdischen Kräfte begegnen.
In der klassischen Rosenkreuzer-Schrift "Die alchimische Hochzeit des Christian Rosenkreuz“ (erschienen 1614) wird unmittelbar auf den Ursprung von Kreuz und Rose hingewiesen. Dem Mysterienschüler Christian Rosenkreuz wird mit Blick auf das Symbol des Kreuzes prophezeit: "In hoc signo vinces“, d. h. "in diesem Zeichen wirst du siegen“. Was bedeutet das? Der Einweihungsweg des Rosenkreuzes gründet sich auf die Christuskraft, mit der sich der Kandidat, "Christian“, im Lauf eines "alchimischen“ Verwandlungsprozesses verbindet. Mit ihrer Hilfe macht er sich frei von den horizontalen Kräften und vollzieht eine innere Umkehr. So strebt Christian Rosenkreuz auf der Vertikalen seinem Ziel entgegen und feiert die "Hochzeit“ seiner erneuerten Seele mit dem göttlichen Geist.
Grundlage der geistigen Verwandlung
Diese innere Hochzeit des Christian Rosenkreuz ist auch das Ziel des Goldenen Rosenkreuzes. Das Kreuz kann im Menschen selbst zur Wirklichkeit werden. Wenn ein Mensch die Arme waagerecht ausstreckt, bildet der Körper eine Kreuzform. Im Schnittpunkt liegt das menschliche Herz. Hier wird entschieden, ob das Bewusstsein sich der Welt oder Gott zuwendet. Wenn das Herz durch die göttlichen Kräfte aus der Höhe berührt werden kann, fließen geistige Ströme aus Licht in den Menschen ein. Das Wesen des sterblichen Menschen wird gleichsam "gekreuzigt“, das bedeutet: transformiert. Seine Seele erblüht zu einer Rose, zu einer vom Geist erleuchteten Seele. Auf diese Weise symbolisiert das Kreuz für den Menschen die Umwendung zu einer neuen Lebenswirklichkeit.
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