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Der Mensch - ein kosmischer Musiker

Der indische Gott Krishna wird oft Flöte spielend dargestellt.

Ebnso soll auch des Menschen Herz wie eine hohle Flöte werden: offen für die erhabenen göttlichen Schwingungen, die dann in ihr und durch sie zu Tönen geformt werden.

Ist es denn die Aufgabe des Menschen, ein göttliches Instrument zu sein, auf dem Gott selbst spielen kann? Welch eine Macht hat doch Musik, haben harmonische Klänge! Wenn der griechische Gott Apollo auf seiner Leier spielte, schwiegen alle Geschöpfe und lauschten. Selbst der Kriegsgott ließ seine Werke ruhen, so erzählt die Sage. Und von Orpheus, dem Sterblichen, heißt es, dass er selbst Hades, den Gott der Unterwelt, rühren konnte durch seinen Gesang.

In fast allen Kulturen finden wir Hinweise auf die Macht, die Klängen, Musik und Instrumenten zugeschrieben wurde. Ja, die Musik wurde als göttlich bezeichnet. Sie sollte die Leidenschaften zum Schweigen bringen und den Menschen erheben, damit er sich dem Göttlichen nähern konnte. Denn wenn die Seele diese Harmonie erfährt, erkennt sie die göttliche Ordnung im Kosmos.

Musik als Widerhall einer göttlichen Sphäre

Pythagoras zum Beispiel sah die Gottheit - den Logos - als Mittelpunkt und Urquell der Harmonie in der gesamten Schöpfung. Die Abstände der Planeten zueinander verglich er mit den Intervallen der Musik – Sphärenmusik! Für die westlichen Komponisten der letzten Jahrhunderte war Musik noch der Widerhall einer göttlichen Sphäre, durch die das menschliche Herz berührt werden sollte. Die musikalische Romantik drückte in ihren Werken die Sehnsucht nach einer Seelenheimat aus.

Und wie empfindet der heutige Mensch, der durch Wissenschaft und Technik geprägt ist? Die unterschiedlichsten Arten von Musik sind auf Knopfdruck abrufbar, werden konsumiert und zu verschiedenen Zwecken benutzt. Ein klassisches Konzert mag noch einer gewissen inneren "Erhebung" dienen – oder wird es vielleicht nur genossen wie ein Glas Rotwein? Andererseits gibt es auch ein Wissen, das besagt: "Nada brahma - die Welt ist Klang." Und in der modernen Physik spricht man davon, dass alles - auch der Mensch - Schwingung, Vibration ist und sich auf verschiedenen Schwingungsebenen ausdrückt. Das erscheint wie eine Erinnerung an die "Harmonie der Sphären".

Verlorene Verbindung zum Grundton der Schöpfung

Die Welt, in der der heutige Mensch lebt, ist sehr laut geworden. Sein Herz wird von vielem aufgewühlt und beunruhigt. Wenn er sich jedoch danach sehnt, wieder zum Instrument für die göttliche Melodie zu werden, muss er zunächst wirklich hören lernen. Er muss tief in sich selbst hineinlauschen und zur inneren Stille finden. Wenn er das tut, wird seine verlorene Verbindung zum Grundton der Schöpfung wieder hergestellt, und er kann als Spieler und als Instrument diesen Ton des wahren Lebens für alle und alles erklingen lassen.

Die Leier des Apollo, Orpheus' Gesang und die Flöte des Krishna - sie können als Symbol für das empfängliche Herz eines Menschen gelten, der ganz zum Instrument des göttlichen Willens geworden ist. Er hat die vielen Stimmen des eigenen Wesens zum Schweigen gebracht und vernimmt wieder den reinen ursprünglichen Klang. Wenn er sich so dem göttlichen Spieler in der Tiefe des eigenen Herzens vertrauensvoll überlässt, wird er das unsagbar Andere, Gott selbst, wieder erfahren und sich mit ihm vereinen.