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Die letzte Posaune

Die Auferstehung des unsterblichen Königspaares.

In dem Einweihungsroman "Alchimische Hochzeit des Christian Rosenkreuz“ wird der christliche Einweihungsweg von der ersten Berufung bis zur Transfiguration - der vollkommenen Verwandlung des Menschen nach Geist, Seele und Körper - in einer allegorischen Geschichte beschrieben. Christian Rosenkreuz (CRC) und drei seiner Gefährten haben bis zum Ende durchgehalten und sind am sechsten von sieben Tagen im achten Stockwerk, der Dachkammer des Turms von Olympus angelangt.

Das Ende der Alchimischen Hochzeit des Christian Rosenkreuz naht. Im achten Stockwerk, der Dachkammer des Turms von Olympus, wird Christian Rosenkreuz Zeuge der Auferstehung des unsterblichen Königspaares. Dies ist die Zeit der "letzten Posaune“.

Dieser Raum steht symbolisch für die Eingangspforte in die geistige Welt, das Auferstehungsfeld. In der Aura des Menschen korrespondiert diese Sphäre mit dem Bereich, der über dem Kopf schwebt. Außerdem hat sie eine Beziehung zur Pinealis, dem "königlichen Organ“ unter der Schädeldecke, das durch den alchimischen Prozess zur Eingangspforte für die Kraft des Geistes wird.

Die Dachkammer hat eine wunderliche Form: Sie besteht aus 7 Gewölben, von denen das sich in der Mitte befindliche ein Loch in der Decke hat, das aber nur von CRC bemerkt wird. Der Turm selbst steht für die Wirbelsäule des Menschen mit ihrem Chakrasystem, das durch die alchimischen Geschehnisse vollkommen erneuert wird.

Die Erschaffung der unsterblichen Körper

Hier geschehen nun seltsame und geheimnisvolle Dinge, deren Bedeutung sich nicht sofort erschließt. Die vier Kandidaten haben unter der Leitung des uralten Mannes einen Brei aus Vogelasche und alchimischem Wasser angerührt, die "Prima Materia“ der Alchimisten. Der alte Mann ist der Hüter der Urbilder des unsterblichen Menschen, die hier angedeutet werden als "Gussformen“ für die Körper des Königs und der Königin. In diese Formen ergießt sich nun die auf einem Feuerofen erhitzte Prima Materia.

Als die vier Gefährten endlich die Gussformen öffnen dürfen, entsteigen daraus zwei "schöne, strahlende und beinahe durchscheinende Figürlein, wie sie noch niemals ein Menschenauge gesehen hat: ein Knäblein und ein Mägdelein, jedes nur vier Fuß lang... Diese Kinder, wie Engel so schön, legten wir zuerst auf zwei Atlaskissen und betrachteten sie eine Weile, bis wir durch den herrlichen Anblick ganz still wurden.“

Im weiteren Verlauf wird beschrieben, wie Christian Rosenkreuz die beiden Kinder mit dem Blut des blauen Vogels nährt, das er in der goldenen Schale am Opferaltar aufgefangen hatte. Dadurch werden sie immer schöner und wachsen zu voller Größe heran. Jedoch haben sie noch kein eigenes Leben.

 

Die letzte Posaune

Der alte Mann, der das ewige Wissen um die Vereinigung von Geist, Seele und Körper verkörpert, bereitet nun den Eintritt der Geistseele in die Körper des neuen Königspaares vor.

Es gibt nur einen, der diese letzte Etappe des alchimischen Prozesses sehen und erkennen kann: Christian Rosenkreuz. Nur er allein erschaut, wie die Geistseele als feurige Flamme aus dem Loch in der siebten Wölbung des Daches herabfährt in die noch leblosen Körper der königlichen Personen - durch das Schallloch einer Posaune, die auf ihren Lippen sitzt.

Die anderen drei Kandidaten lassen sich währenddessen durch eine Nebensächlichkeit - einen kleinen "Feuerzauber“ - ablenken und erkennen nicht, was vor sich geht. Christian Rosenkreuz berichtet: "Meine Gefährten sahen immer nur nach den Figuren, aber ich dachte an etwas anderes.“ Nun, woran dachte er wohl?

Als er in der ersten Nacht der Alchimischen Hochzeit in seinem Traum in dem tiefen Schacht gefangen lag, ertönten Trompetenschall und Paukenschläge, um ihm seine bevorstehende Rettung anzuzeigen. Hier hatte der Trompetenschall einen rufenden, weckenden, durchdringenden Klang. Es war der Ruf der Bruderschaft des unsterblichen Lebens.

Das Bild der Posaune deutet auf die machtvolle Manifestation des Geistes

Trompeten und Posaunen sind als Symbole aus der Bibel bekannt. In der Offenbarung des Johannes (4,1) heißt es: "Danach sah ich, und siehe, eine Tür ward aufgetan im Himmel, und die erste Stimme, die ich gehört hatte mit mir reden wie eine Posaune, die sprach: Steig herauf, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll. Alsbald kam der Geist über mich.“

Die Apokalypse im Buch der Offenbarung vollzieht sich durch sieben Posaunenstöße. Beim siebten heißt es (11,15): "Und der siebente Engel posaunte; und es erhoben sich große Stimmen im Himmel, die sprachen: Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Und im 1. Brief des Paulus an die Korinther (15,51) lesen wir: "Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und dasselbe plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.“

Das Bild der Posaune verbindet uns mit der machtvollen Manifestation des Geistes im Menschen und in der gesamten Schöpfung, der sich in sieben Posaunenstößen oder sieben Strahlen offenbart. Ihr Erklingen ist unmittelbar verbunden mit dem Mysterium der Auferstehung.

Bei den alchimischen Geschehnissen im achten Stockwerk des Turms von Olympus geht es jedoch nicht um den erweckenden Ruf des des ersten Strahls in der Art, wie er in den Schacht hinabgeschickt wurde. Hier geht etwas ganz anderes vor sich.

 

Der Geist, der lebendig macht

Wir sehen das neue Königspaar auf einem langen Tisch liegen. Durch das Opferblut des Seelenvogels sind sie erwachsen und unaussprechlich schön geworden. Aber es ist noch kein neues Leben in ihnen! Der Alte setzt nun eine Posaune auf ihre Lippen - gerade so, als ob sie selbst hineinblasen sollten. Dann entzündet er einen grünen Kranz, der um das Instrument geschlungen ist. In diesem Moment fährt ein Feuerstrahl aus dem Loch in der Decke durch das offene Schallloch der Posaune in die leblosen Körper hinab. Die feurige Geistseele ist in die neuen Körper gefahren und hat sie zum Leben erweckt!

Ist das nicht ein merkwürdiger Vorgang? Hätte man es nicht eher umgekehrt erwartet, etwa so: Aus dem Loch in der Decke senkt sich eine Posaune herab, mit dem Schallloch nach unten, aus dem ein Posaunenstoß nach unten in den Körper geblasen wird, um ihm das Leben einzuhauchen - so wie in der Schöpfungsgeschichte?
So ähnlich war es jedenfalls bei Christian Rosenkreuz’ Traum. Dort war es der in einem dunklen Schacht gefangene Mensch, den die Bruderschaft des Lebens durch Trompetenschall zur Rückkehr ins unsterbliche Lebensfeld rief. Doch die Körper, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind bereits die neuen Körper der ursprünglichen, göttlichen Menschen!

Der ursprüngliche Mensch war, bevor er sich mit der sterblichen Materie verband, ein schöpferisches Wesen, das durch den Willen Gottes dazu bestimmt war, selbst "die Posaune zu blasen“, um die Ursubstanz zum Leben zu erwecken. Er war ein Gott im Werden, der "den Geist, der lebendig macht“ besaß!

Doch der Mensch hat die Leben erweckende Posaune eigenwillig missbraucht. Dabei hat die göttliche Geistseele den Menschen verlassen. Aber jetzt und hier, in der Sphäre der Auferstehung, ist die Zeit der Rückkehr gekommen. Deshalb kehrt die Geistseele jetzt auf dem gleichen Weg in ihren erneuerten Körper zurück. Der Körper hat sie angezogen wie ein Magnet - durch das Schallloch der Posaune. Paulus hat es geweissagt (1. Kor. 15,45): "Der erste Mensch, Adam, ward zu einer lebendigen Seele, und der letzte Adam zum Geist, der da lebendig macht.“ Hier, in der achten Turmkammer, erfüllt sich diese Prophezeiung.

Nach der Einsenkung des Geistes in das Königspaar wird die Geistkraft vom Alten der Tage durch das magische Anlegen feuriger Röhren in den Körpern zur Zirkulation gebracht. Von der Jungfrau Alchimia, einer anderen geistigen Gestalt in diesem geheimnisvollen Roman, werden die zum Leben erweckten königlichen Personen nach einer Zeit der Ruhe in wunderbare, kristall­gleiche Gewänder gehüllt. Dies ist ein Hinweis auf die sehr feine, ätherische Struktur der neuen Körper.

Die Vollendung des Opus Magnum

Die ganze Gesellschaft begibt sich nun die Wendeltreppe hinunter, "durch alle Tore und Wachtposten hindurch“ abwärts zu den Schiffen. Daran ist zu erkennen, dass alle geistigen Kräfte nun ungehindert in der Wirbelsäule des eingeweihten Menschen auf- und absteigen und ihre Aufgaben im System verrichten können.

Damit ist die Arbeit von Christian Rosenkreuz im Turm von Olympus abgeschlossen. Nun, am Abend des sechsten Tages, ist das Opus Magnum vollendet. Die Auferstehung des neuen Menschen, die alchimische Vereinigung von Seele, Geist und Körper ist zu einer Tatsache geworden.

Das Abendessen nimmt Christian Rosenkreuz zusammen mit den anderen Gefährten ein, die unter der Leitung der Jungfrau Alchimia im 7. Stockwerk Gold bearbeitet haben. Gemeinsam bereitet sich die Gruppe nun auf den letzten Tag der Alchimischen Hochzeit vor, der sie zurück ins Schloss führen wird. Dort sollen sie alle zum "Ritter des Goldenen Steins“ geschlagen werden.