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Die Chymische Hochzeit in sieben Tagen

Eine Verwandlung in sieben Tagen und Nächten.

Mit sieben Seilen werden die Menschen aus dem dunklen Schacht gezogen, und sieben Gewichten muss jeder Kandidat standhalten.

Ein Überblick über das geheimnisvolle Geschehen.

Der Ursprung

Die Alchimische Hochzeit wurde 1616 als dritte der sogenannten "klassischen Rosenkreuzerschriften“ veröffentlicht. Der Autor Johann Valentin Andreae blieb lange im Verborgenen. Seine Autorschaft wurde erst 1799 durch die posthume Veröffentlichung seiner Autobiografie durch Seybold bekannt. Andreae erzählt in hermetisch verschlüsselter Form den Einweihungsweg des Christian Rosenkreuz (CRC) bis zur Auferstehung des unsterblichen Menschen.

Der verborgene Sinn erschließt sich dem Leser nicht unmittelbar. Es braucht Kenntnisse der klassischen Alchemie und der Universellen Weisheitslehre ebenso wie Intuition, um dem Geheimnis des Romans auf die Spur zu kommen. Im Bereich Literatur auf dieser Website finden Sie den kompletten Urtext sowie ausgewählte Kommentare von Jan van Rijckenborgh, der dieses Werk Mitte des 20. Jahrhunderts neu herausgab und erklärte. Der folgende Artikel skizziert den Ablauf des Geschehens.

Die siebenfache Struktur geistiger Prozesse

Wesentliche geistige Prozesse werden häufig als ein siebenfaches Geschehen aufgezeichnet. Dafür gibt es viele Beispiele. So gibt die Genesis Einblick in die sieben Schöpfungstage; innerhalb von sieben Weltzeitaltern entrollen sich die Involution und die Evolution der Menschheit und der Welt, und mit sieben Posaunenstößen vollzieht sich die Apokalypse.

Das gilt auch für den Menschen auf dem Pfad der Einweihung. So schreibt Jan van Rijckenborgh in seinem Kommentar zur Alchimischen Hochzeit: "In erster Linie ist es notwendig, die Vollkommene Zahl, die Zahl Sieben, zu erforschen. (...) Erst dann können Sie mit Erfolg in Verbindung gebracht werden mit der großen Pracht und Herrlichkeit des Siebengeistes, mit der Vollkommenen Zahl. So sind sieben Lektionen zu lernen, sieben Lehrgänge zu durchleben, sieben Tugenden zu kennen, sieben Eigenschaften zu erwerben."

Die sieben Tage und Nächte der Alchimischen Hochzeit von Johann Valentin Andreae deuten zunächst einmal die sieben Entwicklungsstufen in der menschlichen Wesenheit an, die zur Auferstehung des unsterblichen Menschen führen. Sie stehen aber auch für eine kosmologische Entwicklung.

Der erste Tag: Die Einladung

An einem Abend vor Ostern, dem ersten Tag der Alchimischen Hochzeit, wird Christian Rosenkreuz (CRC) von einem Engel zu einer königlichen Hochzeit eingeladen. Das ist der Beginn eines sieben Tage währenden Prozesses der Verwandlung. Es ist eine alchimische Hochzeit, das heißt, es handelt sich um einen Prozess, in dem Geist und Materie eine besondere Verbindung eingehen. Obwohl Christian Rosenkreuz als Gast eingeladen wird, deuten Warnungen darauf hin, dass seine Beteiligung weit über den Status eines Gastes hinausreichen wird. "Willst nicht in Reinheit baden, die Hochzeit wird sicher dir schaden."

Bereits vor sieben Jahren wurde ihm diese Hochzeit wie in einer Vision angekündigt, und er hat sich gut darauf vorbereitet. Aber an diesem konkreten Abend vor Ostern wird dreimal das "Heute" betont. Nur im Heute, im Jetzt kann die Verwirklichung des geistigen Weges erfolgen. Obwohl Christian Rosenkreuz die Einladung erwartet hat, fürchtet er seine Unwürdigkeit und sein Unvermögen. So bereitet er sich auf die Nacht vor in der Erwartung, Aufschluss darüber zu erlangen, ob er trotz seiner Unwürdigkeit diesen Weg gehen darf.

Die erste Nacht: Der Traum vom dunklen Schacht

Geistige Geschehnisse, die tagsüber der Täuschung und Unwissenheit des Wachbewusstseins unterliegen, entschleiern sich für Christian Rosenkreuz insbesondere in der Nacht. Seine Erlebnisse und Eindrücke in den sieben Nächten, also auf der astralen Ebene, spielen eine überaus wichtige Rolle. Er empfängt diese Eindrücke, während er entweder schläft wie in dieser ersten Nacht oder als einziger von allen Gästen bestimmte Vorgänge beobachtet und dadurch versteht.

In der ersten Nacht träumt er von zahllosen Gefangenen in einem dunklen Schacht, von denen einige nach und nach mit sieben Seilen aus der Tiefe in das Licht hinauf gezogen werden. Auch CRC ist einer der Geretteten. Klar erkennt er, dass allein Gnade die Ursache der Errettung ist und nicht individuelles Vermögen. In diesem Bewusstsein erwacht er, und in diesem Bewusstsein durchlebt er das vor ihm liegende Geschehen. Daraus erklärt sich das große Gottvertrauen, mit dem er am folgenden Morgen das Werk beginnt und nach sieben Tagen zu einem guten Ende bringt.

 

Der zweite Tag: Die Reise zum Schloss

Am zweiten Tag tritt Christian Rosenkreuz seine Reise zum Schloss an. Er muss sich für einen von vier Wegen entscheiden, was ihm zuerst nicht gelingt. Als er an diesem Scheideweg miterlebt, wie eine Taube, die er gerade gefüttert hatte, von einem Raben verfolgt wird, greift er ohne zu zögern ein: Er verscheucht den Raben und läuft dabei auf einen der vier Wege, auf dem er nun nicht mehr umkehren kann. Spontan hat er sich für die Taube entschieden, für den Weg der Geist-Seelen-Entwicklung. Die Taube ist von alters her ein Symbol für den Heiligen Geist.

Schließlich gelangt er in das Schloss, in dem die Hochzeit stattfinden soll. Mit einem Schloss assoziiert man Adel, Erhabenheit, Reinheit und Macht. Das Schloss symbolisiert hier eine astrale Sphäre von besonderer Serenität. Bruder Rosenkreuz ist erstaunt über einige andere der anwesenden Gäste, deren Seelenverfassung von seiner demütigen und bewussten Haltung weit entfernt ist. Er wundert sich, dass sie überhaupt in dieses Gebiet vordringen konnten. Doch am nächsten Tag sollen alle Gäste gewogen werden, um zu beweisen, dass sie der Hochzeit würdig sind.

Die zweite Nacht: Ein tröstlicher Traum

Da CRC mit der neuen Umgebung noch nicht vertraut und mehr denn je von seiner Unwürdigkeit überzeugt ist, nimmt er die Möglichkeit wahr, die Nacht gefesselt im Vorportal zu verbringen und so von der angekündigten Zeremonie des Wiegens befreit zu werden. Die Nacht beginnt in Verzweiflung und Tränen, doch wiederum wird ihm in einem Traum Hilfe zuteil. Die darin enthaltene Botschaft, dass tief fällt, wer sich selbst erhöht, schenkt ihm Trost und Hoffnung. So konzentriert er in dieser Nacht seine Kräfte und sammelt sich, um sich in diesem neuen Zustand zu orientieren und darin bewusst werden zu können.

Der dritte Tag: Die sieben Gewichte

Am dritten Tag findet eine schwerwiegende Prüfung statt: Die Kandidaten müssen beweisen, dass sie für die alchimische Hochzeit geeignet sind, indem sie auf einer großen Waage mit sieben Gewichten Platz nehmen. Christian Rosenkreuz beweist hier entgegen seinen Erwartungen seine besondere Stellung innerhalb der teilnehmenden Gäste, indem er den Gewichten sogar dreifach verstärkt standhält. Das bedeutet, er entspricht den Strahlungswirksamkeiten des Geistes in seinen sieben Ansichten.

Die dritte Nacht: Der Traum von der verschlossenen Tür

In der dritten Nacht versucht Christian Rosenkreuz, im Traum eine Tür zu öffnen, was ihm schließlich auch gelingt. Das bedeutet, für ihn hat sich durch die bestandene Prüfung die eigentliche Tür zum Schloss, zum Geist-Seelenfeld geöffnet. Er ist jetzt bereit für den folgenden Schritt.

 

Der vierte Tag: Tod und Neubeginn

Am vierten Tag erkundet Bruder Rosenkreuz zunächst einmal das Schloss. In zahlreichen Details öffnen sich für den Neuankömmling neue Sichtweisen und Erkenntnisse bezüglich der Vollkommenheit dieses erhabenen Ortes.

Der vierte Tag, die vierte Stufe steht in der Mitte innerhalb von sieben Stufen. Die Vier ist der Teppich, der Grund, auf dem – nach der göttlichen Berührung – gebaut werden kann. Die Grundlage, um auf dem geistigen Weg weiterzugehen, bildet die Überwindung der alten, sterblichen Natur. Alles Persönliche muss abfallen, damit sich das wahre Selbst entfalten kann: Ohne Tod kein neues Leben.

So erscheint es durchaus folgerichtig, dass im weiteren Verlauf dieses vierten Tages die Enthauptung von sieben Personen, nämlich den drei königlichen Paaren und dem Mohren, stattfindet. Diese Personen symbolisieren die alten Wesenszüge und Vermögen des sterblichen Menschen, die auf dem Weg zu einem Hindernis geworden sind und deshalb sterben müssen. Dies ist am vierten Tag möglich, weil bereits ein neues, leuchtendes Seelenvermögen entstanden ist, das als Basis für das Absterben des Alten und die Wiedererschaffung des Ursprünglichen dienen kann.

Die vierte Nacht: Die sieben Schiffe

Auch in dieser Nacht erschließt sich Christian Rosenkreuz wieder Bedeutsames. Er nimmt wahr, dass die Geister der Enthaupteten mit sieben Schiffen über das Meer schweben, zu der Insel, auf welcher der Turm von Olympus steht. Die feurigen Prinzipien der alten Persönlichkeit bleiben erhalten, denn sie stammen nicht von dieser Welt. Ihre Flammen gehen daher mit in dem alchimischen Prozess auf.

Der fünfte Tag: der Tag der Liebe

Am fünften Tag findet das Begräbnis der enthaupteten Personen statt. In Wirklichkeit sind die Gräber und Särge jedoch leer, was nur Christian Rosenkreuz weiß.

Zuvor sieht CRC unter Führung seines persönlichen Pagen die Göttin Venus in ihrer Gruft unbekleidet liegen, was am Ende des siebten Tages noch seine Folgen zeigen wird. Venus symbolisiert im weitesten Sinn die Liebe in verschiedensten Formen und Ausprägungen. Für Christian Rosenkreuz erhält die Liebe eine neue Dimension. Liebe ist der einzige Zustand, der sowohl in unserer sterblichen Daseinsform als auch in der unsterblichen Seelen- und der Geisteswelt bedeutsam ist. So singen auch die Meerwesen während der Fahrt zum Turm von Olympus über die Liebe:

Was lässt uns überwinden? Die Liebe.
Wie kann man Liebe finden? Durch Liebe.
Wo lässt man gute Werke scheinen? In Liebe.
Wer kann die zwei vereinen? Die Liebe.

Die Zahl fünf symbolisiert als Pentagramm die Wirksamkeit der neuen Seele. Der neue Seelenmensch aber ist Liebe. Dieser Seelenbau wird nun auf der fünften Stufe offenbar.

Die fünfte Nacht: Beim Turm von Olympus

In der Nacht sieht Christian Rosenkreuz, wie sich die sieben Flammen auf die Spitze des Turms von Olympus herabsenken. Die Bedeutung dieser ungewöhnlichen Beobachtung offenbart sich ihm erst am Ende des alchimischen Prozesses, der im Turm von Olympus seine Bekrönung finden wird.

Der sechste Tag: Der Tag der alchimischen Verwandlung

Nach dem Tod die Auferstehung. An diesem sechsten Tag findet die eigentliche transfiguristische Arbeit statt, die Arbeit der Verwandlung nach Geist, Seele und Körper. Christian Rosenkreuz arbeitet mit seinen Kameraden an der Auferstehung des Königspaares, welches als Symbol für den unsterblichen Geist-Seelen-Menschen zu verstehen ist.

Von Stockwerk zu Stockwerk schreitet das alchimische Werkstück weiter fort. Der Leser erhält insbesondere hier einen Eindruck davon, in welch mächtigem innereigenen Laboratorium er selbst steht und wirkt, um seine eigene geistige Wiederherstellung zu bewerkstelligen bzw. daran mitzuarbeiten.

Die Früchte seiner Arbeit erntet der Alchimist im achten Stockwerk. Der junge König und die junge Königin sind auferstanden. Das unsterbliche Leben erlangen sie, indem das flammende Ewigkeitsprinzip in sie hineinfährt. Das ist der Geist selbst, der aus Gott hervorgegangen ist. Er macht das Königspaar, das menschliche Urbild wieder lebendig. Es ist also entstanden aus der Kraft von unten – aus der Verwandlung des sterblichen Menschen durch den Tod hindurch – und aus der Kraft von oben, der Macht des Geistes.

Das erinnert an das große hermetische Axiom "wie oben, so unten", das dargestellt wird durch zwei Dreiecke und ein Symbol für die Zahl sechs bedeutet.

Die sechste Nacht

Nach diesem vollbrachten Werk schläft Christian Rosenkreuz in der sechsten Nacht einen tiefen, sanften und langen Schlaf.

 

Der siebte Tag: Die königliche Hochzeit

Am siebten Tag, dem Tag der Fülle, dem Tag der Erfüllung, wird die königliche Hochzeit gefeiert. Christian Rosenkreuz und seine Gefährten werden zu Rittern vom Goldenen Stein geschlagen. CRC wünscht sich nur eins: immer dem König nahe zu sein. Am Ende jedoch erhält er den Auftrag, "fern" vom König als Torhüter die Neuankömmlinge in das Schloss hineinzugeleiten. Da er mit der Venus, mit der Liebe, in besonderer Weise verbunden ist, besteht seine Aufgabe darin, mit dieser Liebeskraft der Menschheit zu dienen, ihr ein offenes Tor zur geistigen Welt zu sein. CRC ist darüber betrübt, weil ihn das scheinbar vom König, vom Geist scheidet.

Die siebte Nacht: Der neue Auftrag

Auch hier offenbart sich die eigentliche Bedeutung erst wieder in der Nacht: CRC erlebt, dass er "heimgekommen“ ist. Denn gerade die Erfüllung seines Auftrages beweist die Verbundenheit von Geist (König), Seele (Königin) und Körper (Torhüter).

Die Erzählung endet hier abrupt und scheinbar offen. Das muss jedoch so sein, denn ein Siebenkreislauf hat sich erfüllt. Jetzt beginnt ein neuer Zyklus in einem anderen, höheren Lebensgebiet, für den es in dieser Welt keine Worte gibt.