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Über den Glauben

Vielleicht stellen Forscher eines Tages fest, dass Glaubenserfahrungen doch eine Form von Wissen sind.

In der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Glauben ist diese Vermutung direkt erfahrbar.

"Erforscht euch selbst, ob ihr im Glauben steht, prüft euch selbst“, fordert Paulus im zweiten Brief an die Korinther. Sind damit Glaubenserfahrungen gemeint, die ich noch nicht gemacht habe, die mir vielleicht fehlen? Wie kann ich Glauben erfahren? Diese Überlegung hat mich stets in meinem Leben begleitet. Durch die immer wiederkehrende Frage: Was ist Glaube? veränderte sich etwas in mir. Der Weg zum Glauben öffnete sich in meinem Leben schrittweise und setzte einen Prozess in Gang, der sich mir im Alltag erschloss.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges blieb im Allgemeinen, aber auch im ganz Persönlichen ein Trümmerhaufen übrig. Als junger Mensch hatte ich – wie andere auch – Ideologien, Vorstellungen, einen Lebensplan, dem ich folgen wollte, der sich aber nun zerschlagen hatte, und ich suchte der Lebenssituation entsprechend nach einem neuen.

Die Welt änderte sich – aber meine Frage blieb

Es kam zu einer Begegnung mit einem evangelischen Pfarrer in einem Gesprächskreis für junge Menschen. Er las uns Legenden aus der Bibel vor, die ich zunächst nicht verstehen – also nicht begreifen – konnte, doch fühlte ich im Raum eine körperlich wahrnehmbare seltsame Schwingung, über die ich mich wunderte. Ich fragte mich, woher sie kommen mochte, was dieses Gefühl zu bedeuten hatte und wodurch es ausgelöst wurde. Ich spürte in meinem Inneren eine Resonanz mit den Bibel-Legenden. Das Erzählte wirkte in mir und löste etwas aus, was für mich neu war. Hatte das vielleicht etwas mit Glauben zu tun? "Der Glaube ist nicht jedermanns Sache“, schrieb Paulus im zweiten Brief an die Korinther. Wie sollte ich damit umgehen?

Das Leben nahm seinen Fortgang. Dem Aufbau nach dem Krieg folgte die sogenannte Wissensgesellschaft, deren Kern sich auf Nachweisbarkeit und Nachprüfbarkeit stützte. Die Welt hatte sich verändert – doch meine Frage nach dem Glauben nicht. Noch immer stand vor meinem geistigen Auge: "Erforscht euch selbst, ob ihr im Glauben steht, prüft euch selbst“. Das Zitat ließ mir keine Ruhe. Wie geht das? Wie kann ich prüfen, dass ich glaube? Wie weiß ich, dass ich glaube?

Ist dieses Leben alles?

Ein Bewusstseinsforscher drückte die Frage einmal so aus: "Gibt es eine neue ideologisch freie Form von Spiritualität? Oder eine mystisch entzauberte Religion? Vielleicht stellen unsere Nachfahren in 20 oder 200 Jahren fest, dass Glaubenserfahrungen doch eine Form von Wissen sind – aber eine ganz andere, als wir dachten!“ Dadurch erinnerte ich mich wieder an eine andere Frage aus meinem Inneren, nämlich: Ist dieses Leben alles – an was soll ich glauben? An einem bestimmten Punkt meines Lebens wusste ich, dass diese Fragen mich schon mein ganzes Leben begleitet hatten. Was ist zu tun, um eine Antwort darauf zu bekommen?

Mitten in diesem Fragen-Karussell kam ich in Kontakt mit der Internationalen Schule des Goldenen Rosenkreuzes. In ihrer Literatur fand ich endlich Antwort auf die Frage: Was ist Glaube? Im Buch "Die Chinesische Gnosis“ konnte ich lesen: "Es ist gut zu fragen, wo sich das Vermögen des Glaubens befindet.“ In welchem Teil des Körpers ist es zentralisiert? Ist es ein Organ? Die Antwort konnte ich entdecken, als mir der Zusammenhang klar wurde, dass Glaube nicht nur ein Gefühlszustand ist, sondern ebenfalls eine Angelegenheit des Verstandes und vor allem des Wissens; er entsteht durch Erkenntnis, die aus Erfahrung resultiert – und breitet sich über das ganze Menschenwesen aus. Man wird vom Glauben regelrecht erfasst, durchglüht, durchströmt.


Ich hatte gefunden

Dieser Glaubenszustand erwachte in mir, und ich konnte ihn wie einen physischen Zustand fühlen, der mit dem übereinstimmte, was ich in meinem innersten Wesenskern wahrnahm. Meine Fragen hatten sich erübrigt, ich hatte gefunden. Eine Veränderung setzte ein, die aus meinem Inneren kam und die mich führte.

Der Großmeister der Schule des Rosenkreuzes, Jan van Rijckenborgh, schreibt darüber, dass sich aus einer solchen Veränderung eine Transmutation, eine Verwandlung des Menschen, entwickelt. "Der wirkliche, überwindende Glaube kündigt sich als ein mächtiges Strahlen im ganzen Wesen an. Dieser Glaube beweist im Sinne der Rosenkreuzer innerliches Wissen. Der Beweis ist ein göttlich-energetischer Funke in der rechten Herzkammer, der zeitweise aufflammt als wahrnehmbare sprühende Vibration.“

Ich erlebte das so, dass dieser Funke in mir eine Bewegtheit hervorrief und mein Bewusstsein veränderte; dadurch wurde mein Glauben gestärkt. Tiefinnerlich konnte ich erfahren, dass dieser Glaube mir alle Wege öffnen wird: "So ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so mögt ihr sagen zu diesem Berge: Hebe dich von hinnen dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.“ (Matthäus-Evangelium) Es ist dieser sehr alte urchristliche Glaube, der auch in den Legenden der Bibel verborgen ist, um der Menschheit und der Welt zu helfen: Der Glaube an den göttlichen Überrest im Menschen, der wachsen will.