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Die Chinesische Gnosis (10 bis 13)

Kommentare zum Tao Teh King von Lao Tse

Ewigkeit und Zeit begegnen sich im Menschen. In den Kapiteln 10 bis 13 erläutern Jan van Rijckenborgh und Catharose de Petri diese beiden Dimensionen und erklären wie sich die Pforte zum Höchsten erschließt durch das Wu-Wei, das Nicht-Tun.

Kapitel 10

Wer sein animalisches Ich
dem Spirituellen unterwirft,
kann seinen Willen auf Tao gerichtet halten.
Er wird nicht zerstreut sein.

Er beherrscht seine Lebenskraft,
bis sie folgsam ist wie die
eines neugeborenen Kindes.

Er wird sein inneres Gesicht
klären und erhellen
und so von moralischen Mängeln frei werden.

Er regiert sein Reich mit Liebe
und kann ganz Wu-Wei sein.

Er wird in vollkommener Ruhe verharren,
während das Öffnen und Schließen
der Türen weitergeht.

Obwohl sein Licht alles durchdringt,
kann er wie unwissend sein.

Er bringt die Dinge hervor und nährt sie.
Er bringt sie hervor, ohne sie zu besitzen.

Er vermehrt und vervielfacht sie
und rechnet nicht mit Belohnung.

Er regiert und sieht sich nicht als Meister.
Das ist es, was man die geheimnisvolle Tugend nennt.

Die Selbstübergabe

Sie müssen, als Schüler des Tao, das animalische Ich in vollkommener Selbstübergabe an das Ur-Atom, an das Königreich in Ihnen, an die Rose des Herzens wegschenken. Das ist Ihre wichtigste Aufgabe. Wenn Sie damit beschäftigt sind, wird Ihre gewöhnliche Persönlichkeit merkwürdige Veränderungen erfahren, da als Antwort auf die Selbstübergabe die Vase, der Gralsbecher, über dem Kandidaten ausgegossen und so ein neues Seelenwesen, ein neues Schlangenfeuer geboren wird.

Zuerst werden Sie dann entdecken, dass Ihr Wille fortwährend auf Tao, auf den Pfad gerichtet bleiben kann, nein, bleiben wird! Warum? Aus dem einfachen Grund, weil nicht mehr der magnetische Status der gewohnten Natur, sondern der Status der neuen Natur in Ihnen wirkt, wenn die Rose des Herzens in Ihnen herrscht und Ihr Seelenleben daraus zu erklären ist. Die Ruhe, die Lao Tse meint, ist ein totaler innerer Zustand, eine Wesenssignatur des neuen Menschen, die Ruhe, die das Volk Gottes auszeichnet. Es ist ein Zustand, der Tag und Nacht anwesend ist, ein immer währender Zustand. In diesem Prozess werden selbstverständlich die Türen der Vergangenheit nach und nach geschlossen und die Türen der Erneuerung allmählich geöffnet. Wie? Muss man mit großer Anspannung dieses tun oder jenes lassen? Nein, der Weise wird in vollkommener Ruhe verharren, während das Öffnen und Schließen der Türen weitergeht, weitergeht mit der Regelmäßigkeit eine Uhrwerks.

Kapitel 11

Die dreißig Speichen eines Rades
versammeln sich in der Nabe,
jedoch nur durch den leeren Raum
ist es von Nutzen.

Die Vase wurde aus Ton geknetet,
jedoch nur durch ihren leeren Raum
ist sie von Nutzen.

Man stellt Türen und Fenster
für das zu bauende Haus her,
jedoch nur durch den leeren Raum
ist es von Nutzen.

Das Sein, das Materielle
hat daher seinen Vorteil,
aber vom Nicht-Sein,
vom Immateriellen hängt
der eigentliche Nutzen ab.

Es gibt keinen leeren Raum

Das elfte Kapitel richtet unsere Aufmerksamkeit auf einige äußerst wichtige Dinge. Sehr direkt werden wir zum Beispiel auf den sogenannten »leeren Raum« hingewiesen, und zwar durch ein Rad, eine Vase und ein Haus, die nur durch den leeren Raum wichtig werden. Unwillkürlich denken wir dabei an das Grab des Christian Rosenkreuz. In den Grabstein sind Sprüche gemeißelt. Einer dieser Sprüche lautet: „Es gibt keinen leeren Raum“. Zur gleichen Schlussfolgerung ist natürlich auch Lao Tse gekommen, denn eine wirkliche Leere kann nicht nützlich sein. Alle Menschen stehen in der Mitte eines Rades. Jeder Mikrokosmos, jede sterbliche Seele steht im Mittelpunkt einer All-Offenbarung. Die Sonne sendet ihre Strahlen zu Ihnen, alle Himmelskörper senden ebenfalls ihre Strahlen zu Ihnen. So stehen Sie in einem Rad aus feurigen Strahlen, die alle bei Ihnen, in Ihnen als Mittelpunkt, ankommen: Die dreißig Speichen eines Rades versammeln sich in der Nabe. Das Rad ist also das astrale Licht, das Sie bewegt. Sie sind die Nabe, in der dreißig Speichen zusammenlaufen, dreißig Flüsse, die von den zahllosen Bächen des leeren Raumes gespeist werden. Aber in welchem leeren Raum stehen Sie? Sie stehen in zwei Räumen: erstens in der Zeiträumlichkeit und zweitens in der Ewigkeit, der Allgegenwärtigkeit. Daher drehen sich, abstrakt gesehen, zwei Räder um Sie, zwei feurige Räder. Auf welches Rad gehen Ihre Fenster hinaus, nach welchem Feuer hin öffnen sich Ihre Türen? Nach der Konzeption welchen Rades bauen Sie Ihr Haus? Verstehen Sie, dass der eigentliche Nutzen vom Nicht-Sein abhängt? Sie sind etwas »nicht« und etwas »wohl«, und was Sie nicht sind, müssen Sie werden. In jeder Sekunde Ihres Lebens sind Sie damit beschäftigt, etwas zu sein, etwas zu demonstrieren. Was Sie so beweisen und zeigen, wird bestimmt von der immateriellen Sphäre des unsichtbaren Raumes, aus dem Sie leben. Sobald Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre wirklichen Lebensresultate richten, wissen Sie, welches Feuerrad von den beiden, die sich um Sie drehen, der leitende Faktor in Ihrem Leben ist.

Kapitel 12

Die fünf Farben blenden das Auge.
Die fünf Töne betäuben das Ohr.
Die fünf Geschmäcker verderben den Geschmack.

Rasendes Reiten und Jagen
verwirrt das menschliche Herz.
Mühsam zu erringende Güter führen
den Menschen zu verderblichen Taten.

Darum beschäftigt der Weise sich
mit seinem Inneren
und nicht mit seinen Augen.

Er verwirft,
was von außen kommt,
und verlangt nach dem,
was innen ist.

Die Kette aus Ursache und Wirkung

Der Mensch ist sehend blind und hörend taub. Durch diese Versehrtheit ist das Formwesen des Menschen dem Verderben, der Kristallisation unterworfen. Es zeigt sich jedoch, dass tatsächlich jeder Mensch das alles intuitiv weiß. Der Mensch fühlt sich in jeder Hinsicht von dem großen Konflikt bedroht. Sein Leben, seine Gesundheit, seine Lebenskraft sind in Gefahr. Daher verfällt er zahllosen Experimenten, um die Gefahren abzuwenden, aber dadurch wird sein Zustand nur immer ernster, denn er entfaltet seine Aktivitäten auf der Basis seiner Blindheit und Taubheit. Seine Begierden und Verlangen, auf Selbsterhaltung gerichtet, desorganisieren sein Herzheiligtum, und es wird für ihn selbst und andere fortwährend schwieriger.

Die beschriebene Kette aus Ursachen und Wirkungen muss durchbrochen werden. Sehen Sie den Menschen einmal so, wie er ist: ein mächtiges Instrument in ihm und eine Welt um ihn. Diese beiden sind ständig miteinander in Konflikt, obwohl sie in vieler Hinsicht aus der gleichen Ordnung geboren wurden. Das erklärt das rasende Reiten und Jagen, um das Gleichgewicht zu erlangen. Aber so werden die Konflikte gerade instand gehalten und in wilde Drehung gebracht. Dadurch dreht sich das Feuerrad der dialektischen Astralis unaufhörlich weiter. Darum richtet sich der Weise auf das Uratom, die Rose des Herzens, auf »sein innerstes Sein«.

So zerbricht er die Kette aus Ursachen und Wirkungen. Von diesem Augenblick an wird ein anderes magnetisches Fluidum in das System gezogen, und das Auge wird in der Welt keinen Konflikt mehr sehen, sondern eine Welt wahrnehmen, in welcher der Mensch nicht beheimatet ist. Dann hört das rasende Jagen auf der horizontalen Linie auf. Das Ohr wird andere Ätherkräfte hören und verarbeiten. Dadurch erhält der Geschmack andere Nahrung. Und die fünf Seelenfluide werden Anleitung zu der großen Veränderung geben, welche “die alchimische Hochzeit des Christian Rosenkreuz” genannt wird.

Kapitel 13

Hohe Ehre und Unehre
sind Dinge der Furcht.
Der Körper ist wie
ein großes Unheil.

Warum sagt man das
von hoher Ehre und Unehre?
Hohe Ehre ist etwas Wertloses.
Erlangt man sie,
ist man bereits in Furcht.

Verliert man sie,
dann ist man bereits in Furcht.
Darum sagt man: Hohe Ehre und Unehre
sind Dinge der Furcht.

Warum sagt man:
Der Körper ist wie ein großes Unheil?
Ich habe darum großes Unheil,
weil ich einen Körper besitze.

Wenn ich so weit wäre,
dass ich keinen Körper besäße,
welches Unheil könnte ich dann erfahren?

Wer es daher
als eine schwere Aufgabe ansieht,
das Reich zu regieren,
dem kann man die Regierung
des Reiches übertragen.

Wer es für etwas Verwerfliches hält,
selbst das Reich zu regieren,
dem kann man die Regierung
des Reiches übertragen.

Dinge der Furcht

Das Erwerben von Ruhm und Ehre ist in unserer Gesellschaftsordnung ein gewaltiger Handlungsantrieb. (…) Jene, die zu hohem Ansehen gekommen sind, haben im allgemeinen eine sehr unsichere Position. Sie werden geehrt, aber auch beneidet und bekämpft. Eine unermessliche Angst hat solche Menschen ergriffen, die Angst vor dem Verlust ihrer Position, die Angst vor dem Fall. Denn wie leicht fällt jemand von hoher Ehre in Unehre!

Daher büßen solche Menschen oft Charakterqualitäten ein. Sie werden steinhart und mitleidlos. Ohne Gefühl treten sie um sich und wagen alles, um sich behaupten zu können. (…) Hohe Ehre und Unehre sind Dinge der Furcht und vernichten das eine wahre Ziel Ihrer Persönlichkeit. Distanzieren Sie sich daher von jedem ichzentralen Streben in dieser Richtung und von jedem ichzentralen Verlangen. “Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den niedrigen”, sagt Paulus (Römer 12/16). “Wu-Wei”, sagt Lao Tse. (…) Wir sind alle Kinder Gottes, alle haben wir den Schatz in uns. Widmen Sie sich der Freilegung dieses Schatzes in sich, dann sind Sie frei und werden mit Ihm sein wie ein König. Werfen Sie alle Angst über Bord. Jeder Kandidat ist ein Begnadeter, potentiell bereits ein Freier, ein Weiser, ein wahrer Freimaurer.